Wie ich die Schulzeit überstand.

Hei du ♥
"Die Schule überstehen" erscheint für eine psychisch gesunde Person vielleicht banaler, als es ist.
Banal sind eigentlich auch die Gründe, weshalb ich es fast nicht geschafft hätte.
Klausuren oder Vorträge waren für mich nicht das Problem, sondern eher der ganz normale vermeintlich lockere Unterricht. Desto weniger anspruchsvoll desto schlimmer.
So waren zum Beispiel Stunden, in denen einfach nur Filme geschaut wurden lange Zeit der absolute Horror für mich, wohingegen der knall harte Matheunterricht ein Klacks war.
Warum ? Ganz einfach: Wenn ich total in etwas vertieft war, hatte ich keine Zeit um dauernd auf die Uhr zu schauen, meinen Puls zu fühlen oder darüber nachzudenken, wie schlecht mir gerade ist.
Mein größtes Problem war es, nicht weg zu können. "Eingesperrt" zu sein und nicht selbst bestimmen zu können, wann ich den Raum verlasse.
Anfang der zehnten Klasse habe ich viele neue Lehrer bekommen und mich zum Glück dazu überwunden, mit fast allen über meine "Kreislaufprobleme" zu reden. Ihnen zu erklären, dass es mir schon hilft, wenn sie mir theoretisch erlauben den Unterricht zu verlassen, wenn es mir schlecht geht. Praktisch habe ich das dann bei genau diesen Lehrern eigentlich nie getan, sondern nur bei denen, bei denen ich mich nicht getraut habe darüber zu reden.
Anfang der Jahrgangsstufe 1 habe ich dann mit den meisten über den wahren Grund, also meine Panikstörung, geredet und am meisten ist mir mein Gemeinschaftskunde und Geschichte Lehrer Herr Schneider* in Erinnerung geblieben. Ich hatte ihn schon in der zehnten in Deutsch und daher hat er mich von sich aus gefragt, wie es mir mittlerweile geht. Ich habe ihm dann ganz offen von meiner Panikstörung erzählt und er hat es aufgenommen, wie kein anderer. Er hat mir erlaubt jederzeit raus zu gehen, ohne fragen zu müssen, hat sich genau erkundigt, womit er mir helfen kann und damit wurde sein Unterricht für mich zum angenehmsten.
Der Chemieunterricht hingegen war der absolute Horror. Mein Lehrer nahm weniger den Unterrichtsstoff noch mich besonders ernst. Nachdem er gleich in der ersten Stunde Witze über psychische Krankheiten gemacht hat, habe ich mich nicht getraut, mit ihm darüber zu reden und so war Chemie das einzige Fach, in dem ich weiterhin regelmäßig Panikattacken hatte.
Sport war auch nicht gerade angenehm. Wenn man "gelernt" hat, dass der eigene Körper unter Druck alles macht, außer dem, was er soll, verliert man auch das letzte Bisschen Selbstvertrauen und so brach ich in oder nach Sport regelmäßig in Tränen aus und kann mich an keine Sportstunde erinnern, in der ich keine Panik bekommen habe. Am schlimmsten war der Cooper Test, denn da bliebt ich einfach wie angewurzelt stehen und konnte keinen Fuß vor den anderen setzten. Um ehrlich zu sein habe ich mir dann in der Jahrgangsstufe 2 ein Attest für Sport besorgt, weil ich dem Druck nicht mehr Stand halten konnte und dadurch nur meine Depression verstärkt wurde.
Und im Nachhinein betrachtet - was habe ich daraus gelernt ? Leute redet miteinander ! Laut einer Spiegel Studie sind fast 40% der Europäer von psychischen Krankheiten betroffen (gewesen). Wie kann es also sein, dass sie zu den Tabuthemen unserer Gesellschaft zählen ? Ich habe so oft gemerkt, dass es mir viel besser geht, wenn die Menschen um mich wissen, was mit mir ist. Nicht, weil sie dann Rücksicht nehmen, sondern, weil dann ein großes Stück des Druckes auf mich wegfällt, perfekt funktionieren zu wollen. Auf meinem Blog und auch immer mehr in meinem realen Leben gehe ich offen mit dem Thema um und hoffe damit nicht nur mir, sondern auch anderen zu helfen.
Xx Ina.

*Das ist nicht sein Name, aber ich brauche ihn in einem der nächsten Kapiteln nochmal.

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