Wie ich zur Verliebten wurde.

Hei du,
ich finde es ironisch, dass ich ausgerechnet heute dieses Kapitel schreibe, denn ziemlich genau heute vor einem Jahr endete es in meinem Leben.
Zeitlich befinden wir uns für dieses Kapitel aber zunächst einmal ganz am Anfang von 2015.
Phillip* kannte ich schon eine ganze Weile aus der Schule. Wir waren gemeinsam in der SMV und haben uns bei den Tagungen und Wochenenden schon immer gut verstanden, verbunden hat uns unsere Liebe zu Mützen und irgendwann Anfang 2015, dann auch die füreinander. Nachdem wir uns auf der letzten SMV Party wirklich gut verstanden haben, beschlossen wir uns am Wochenende zu treffen und irgendwie war da plötzlich etwas zwischen uns. Mein Kopf lag plötzlich auf seiner Schulter und sein Arm um mich und es hat sich erstaunlich gut angefühlt. Eigentlich hätten schon ganz am Anfang meine Alarmglocken schrillen sollen, nachdem ich, wenn wir zusammen waren eine Panikattacke nach der anderen hatte, aber ich war nunmal verliebt. So richtig und das zum ersten Mal in meinem Leben, weshalb ich Phillip auch einen ersten "richtigen" Freund nenne. Viele aus meinem Freundeskreis sehen das nicht so, weil wir nur relativ kurz zusammen waren, aber für mich definieren Beziehungen andere Faktoren, zum Beispiel, dass man wirklich verliebt ist und viel zeit miteinander verbringt. Gut um ehrlich zu sein, war ich nicht gleich Hals über Kopf verliebt, heute bin ich überzeugt, dass ich mich nicht auf den ersten Blick verlieben kann, es war mehr so etwas wie ein aneinander gewöhnen und sich durch die Nähe und den "Alltag" ineinander verlieben. Natürlich kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob er mich geliebt hat, aber ich habe es getan, also ihn geliebt - nicht mich. Und das war einer meiner größten Fehler.
Er war meine oberste Priorität. Hat Phillip geschrieben oder auch nicht, haben wir uns getroffen oder auch nicht, es gab für mich nichts außer ihn. Selbstverständlich bin ich zur Schule gegangen und habe mich mit anderen Leuten getroffen, aber er stand für mich an oberster Stelle und mich habe ich dabei ganz vergessen. Zu keinem Zeitpunkt meiner Krankheit ging es mir psychisch und physisch schlechter. Zu keinem Zeitpunkt, mal abgesehen vom nächsten Kapitel, war mein selbstverletztendes Verhalten stärker ausgeprägt als zu diesem. Ich war keine eigenständige Person mehr, ich habe nur noch für ihn gelebt. Zum ersten Mal konnte ich mir eine Zukunft mit einem Menschen vorstellen.
Ich hatte mich verliebt. Aber nicht in einen Menschen, sondern in eine Art lebendes Messer, das sich immer weiter ohne mein Bewusstsein und vermutlich aus seines in mein Herz bohrte, bis es mein damaliges Ich umbrachte. Das wiederum war aber das beste, das mir passieren konnte und ein ganz anderes Kapitel.
Auf dich muss das jetzt so wirken, als wäre die Beziehung eine einzige Qual gewesen und du musst dich wundern, warum ich sie nicht beendet habe. Ganz einfach, weil für mich die schönen Zeiten überwogen haben. Noch heute sehne ich mich zurück. Nicht zu ihm, aber zu dem Leben, das wir zusammen geführt haben. Wir sind mit seinen kleinen Geschwistern Eisessen gegangen, ich habe mich super mit seiner Mama verstanden, sie waren wie eine zweite Familie für mich, wir haben die Abende zusammen verbracht, sind zusammen eingeschlafen und aufgewacht, wir haben die Pausen in der Schule zusammen verbracht und er hat mich an einem der schönsten Tage in meinem Leben begleitet, der Taufe von meinem Patenkind.
Und im Nachhinein betrachtet - was habe ich daraus gelernt? Für mich ist Liebe kein starrer Zustand, sie ist viel mehr ein langsames Annähern und hat unglaublich viel mit Vertrauen zu tun. Viel wichtiger ist aber trotz eines geliebten Menschen an seiner Seite ein eigenständiges Wesen zu bleiben, das merkt, was gut für es ist und was nicht.
Xx Ina ♥

*auch er hieß natürlich nicht so

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